J. D. Zelenka: Missa Votiva
Vergessenes Schmuckstück in neuem Glanz
Neue Rheingauer Kantorei mit zwei Aufführungen von Zelenkas "Missa votiva"
Rheingau-Echo, 15.09.2011
Geisenheim. (hhs) — Im Rahmen ihrer alljährlichen Konzerte führte die Neue Rheingauer Kantorei die "Missa votiva" des böhmischen Komponisten Jan Dismas Zelenka auf. Am Samstag im Rheingauer Dom wie auch am Sonntag in der Schlosskirche von Johannisberg wurden die Aufführenden mit lang anhaltendem Applaus bedacht. Für Aufführungen dieser Art höchst ungewöhnlich: Es gab sogar jeweils noch eine Zugabe.
Dabei war der Chor anfangs eher skeptisch gewesen, als Kantor Tassilo Schlenther seinen rund 70 Sängerinnen und Sängern im Frühjahr seine Wahl präsentierte. Nachdem in früheren Jahren so populäre Werke wie Mozarts "Requiem", Händels "Messias", Haydns "Schöpfung" und zuletzt dessen "Jahreszeiten" einstudiert worden waren, sollte es nun ein Mann sein, den niemanden kannte?
Doch die Skepsis legte sich im Verlauf der Proben schnell und wich einer wachsenden Vorfreude auf die beiden Aufführungen. Tatsächlich erwies sich Zelenkas "Missa votiva" als sehr eingängig. Beim Chor selbst war die Freude am Singen jederzeit spürbar, bereitwillig ließen sich alle Beteiligten von Schlenther auch durch versteckte Schwierigkeiten führen - wieder einmal eine überzeugende Leistung des Chores. Verbesserungswürdig ist aber das optische Erscheinungsbild. Auch hier gilt: Wieder einmal störten einige "Individualisten" unter den Sängerinnen und Sängern das Gesamtbild des ansonsten von feierlicher schwarzer Kleidung geprägten Chors.
Als "spannend, originell und außergewöhnlich" hatte die Kantorei die Musik des böhmischen Barockkomponisten Jan Dismas Zelenka (1679 - 1745) angekündigt, der die letzten Jahre seines Lebens als Musiker am sächsischen Hof in Dresden verbrachte. Seine Kompositionen erreichten zu seinen Lebzeiten nie eine größere Beachtung; nach seinem Tod geriet er schnell in Vergessenheit. Erst in der jüngsten Zeit wurden einige Kompositionen wieder ausgegraben, und plötzlich wurde Zelenka populär. Sein äußerst virtuoser Kompositionsstil, welcher die Hörer ständig mit unerwarteten Wendungen und fast schon bizarren Einfällen überrascht, wird von einigen überschwänglichen Musikkritikern gar auf eine Stufe mit Bach gestellt. Zumindest Johann Sebastian Bach - übrigens selbst lange verkannt - soll Zelenka sehr geschätzt haben.
Zufallsfund
"Eher durch Zufall" war Tassilo Schlenther aof die Kompostionen Zelenkas gestoßen und hatte die Messe für sein nächstes Chorprojekt ausgewählt. Trotz der Begeisterung beim Chor und einer höchst professionellen Werbung im Vorfeld war es aber nicht gelungen, den üblichen Besucherstamm der Neuen Rheingauer Kantorei zu aktivieren. Am Samstag war der Rheingauer Dom zwar gut gefüllt, auch am Sonntag war man mit dem Besuch zufrieden. Doch an die Zahlen der Vorjahre reichte der Besuch in diesem Jahr nicht heran.
Dabei hätten die Aufführungen durchaus proppenvolle Kirchen verdient. Nicht nur der Chor überzeugte mit einer dynamischen Leistung. Auch mit dem Orchester "Musica Antiqua Frankfurt" hatte Tassilo Schlenther eine gute Wahl getroffen. Das zwar zahlenmäßig kleine, musikalisch aber überzeugende Ensemble aus überwiegend jungen Musikerinnen und Musikern spielte einfühlsam und ergänzte sich gut mit dem Chor.
Von den vier Gesangssolisten war die Altistin Elizabeth Neiman eine gute alte Bekannte - ist die Stephanshäuser Musikpädagogin doch der Kantorei seit Jahren verbunden. Die weiteren Soliten waren Janina Möller (Sopran), Christian Glosemeyer (Tenor) und Wolfgang Weiss (Bass) - auch sie passten sich dem erfeulich hohen Niveau der Aufführungen an. Insbesondere die junge Sopranistin Janina Möller gefiel mit einem souveränen Auftritt und einer sehr natürlichen Ausstrahlung.
Bemerkenswert war die Organisation im Umfeld des Konzertes durch den Förderverein der Kantorei. Der Internetauftritt war professionell, das Programmheft ließ inhaltlich keine Fragen offen und war auch in seiner äußeren Form hochwertig. Es bräuchte sich in dieser Form nicht hinter renommierten Veranstaltern zu verstecken.
Neben weiteren Unterstützern leisteten die Rheingau-Apotheke und die NaSpa wesentliche Beiträge, die halfen, das Defizit zu decken, das ansonsten das evangelische Dekanat Bad Schwalbach hätte tragen müssen. Einen besonderen Dank sprachen die Veranstalter aber auch den gastgebenden katholischen Kirchengemeinden Heilig Kreuz in Geisenheim und St. Johannes der Täufer in Johannisberg aus, die der Kantorei für die beiden Konzerte wieder einmal Gastrecht gewährten.